Meine Fresse, was 'ne Messe (2)

Nach dem grandiosen ersten Teil geht es weiter mit interessanten Impressionen von (mehr oder weniger) interessanten Spielen der Messe!

Urbis

Anno 1602 - das Brettspiel
Weiter ging es am Stand eines russischen Verlages mit dem schönen Namen GaGa Games. Manchmal sagt ein leerer Tisch auch etwas über die Qualität des Spiels aus. Bei Urbis war dies leider der Fall. Da konnte auch die schöne Pixelgrafik (die mich ursprünglich angelockt hatte) nichts mehr retten.

Dabei ist das Grundprinzip noch vielversprechend: Die Spieler bauen ihre Stadtviertel aus, indem sie Gebäudeplättchen mit Siegpunkten* und Sonderfähigkeiten ziehen und verbauen. Der Clou ist, dass sie das nicht nur bei sich, sondern auch bei den Mitspielern tun können. Zusätzlich gibt es noch Aktionskarten, die einen gehörigen Schuss "Nimm dies!" hinein bringen, weil man damit die Auslagen aller Spieler gehörig durcheinander bringt. Wer sein Tableau vorzeitig vollbaut, gewinnt sofort. Ansonsten gewinnt derjenige mit den meisten Siegpunkten.

Ich habe sie fertig gemacht! Die Stadt, meine ich.
Leider kam während unser Partie keinerlei Spielspaß auf, weil die einzelnen Elemente überhaupt nicht zusammen passten und teils sinnlos waren. Da die Bauplätze sehr schnell sehr teuer werden, ist man auf Einkommen angewiesen. Wer wie Michael (im Spiel!) kein Einkommen hat (z.B. weil er lauter Gebäude mit "-1 Einkommen" bekommt und nicht wieder loswird), konnte quasi nur Aktionskarten ziehen und hoffen, dass er (a) eine davon mal ausspielen kann und (b) diese dann auch noch hilfreich für ihn sind. Oder er kann sich 1 oder 2 Geld nehmen, was bei Baukosten von 6-10 Geld 4 Runden Gelegenheit für Ruhe und Nichtstun gibt. Ein bisschen Ausgleich bei dem ganzen Messestress ist ja auch wichtig.

Die Aktionskarten funktionierten entweder nach dem Prinzip "entferne/verschiebe/tausche Gebäude aller Spieler" oder "mache etwas für Dich Negatives um Siegpunkte zu bekommen". Blöd nur, wenn Gebäudeplättchen 4-8 Siegpunkte einbringen, während Aktionskarten wie "gebe jedem Mitspieler 5 Geld" nur mickrige 2 Siegpunkte geben. Man hat ja so schon nicht wirklich Lust, sein ganzes Geld ausgeben zu müssen. Die schlechte Übersetzung vom russischen ins englische half auch nicht wirklich und bot durchschnittlich 1,8 unklare Formulierungen pro Karte.

Nachdem ich zu Beginn sehr viele Gebäude mit Siegpunkten und Einkommen zog, führte mich eine asugeklügelte komplexe Strategie (ich nenne sie den "Autopiloten") zum Sieg:

  1. Nimm in deinem Zug Geld. Wiederhole, bis du dir das nächste Gebäude leisten kannst.
  2. Baue ein Gebäude.
  3. Wiederhole 1 und 2, bis du gewonnen hast.

Anna photobombt den Schachtelschnappschuss
Unglücklicherweise wurden wir von den Russen gefragt wie wir das Spiel fanden. Annas gewohnt taktvolle Antwort: "Bad!" Im Hintergrund stand der Mann - vermutlich der Autor - der uns das Spiel erklärt hatte und schaute sehr bedröppelt drein. Wir sind in unserem Feedback aber dann noch konkreter geworden ("Das war das schlechteste Spiel auf der Messe"... haben wir nicht gesagt, sondern konstruktiv die Punkte aufgezeigt, die uns nicht gefallen haben).

Skyliners

Erstmal ein Päuschen...
Nachdem wir die Untiefen russischen Spieledesigns erkundet hatten, ging es in luftige Höhen. In Skyliners bauen die Spieler gemeinsam Wolkenkratzer in die Höhe, indem sie reihum ein Gebäude auf einem 5x5 Raster um ein Stockwerk erweitern. Ziel ist es, dass jeder von seiner Seite des Spielbrettes aus die "schönste" Skyline baut. Getreu nach dem Motto "viel hilft viel" möchte man möglichst viele Wolzenkratzer sehen können. Wer in erster Reihe nur fünfstöckigen Mega-Tower stehen hat, schaut also in die Röhre bzw. Fenster. Ein paar extra-Kniffe wie Dächer (kein weiterer Ausbau möglich) und Siegpunkte für das höchste Gebäude im "eigenen" Abschnitt des Brettes hinzugefügt und fertig ist das flotte Familienspiel.

Eine linksschief verteilte Stadt
Skyliners spielt sich flott, ist aber nichts Besonderes. Durch die Plastikteile sieht es aus wie ein Spiel von Parker aus den Achtzigern oder Neunzigern. Zielgruppe sind vermutlich Familien mit 2 Kindern, denn zu dritt funktioniert es nicht: Ein Spieler (in unserem Fall Anna) hat dann nämlich keinen direkten Gegenüber. Michael und ich haben uns gegenseitig Türme vor den Nasen hochgezogen, während Anna eine wunderbare Treppenskyline hatte. Punktetechnisch war sie damit auf der anderen Seite der Schachtel (das war sie wirklich, weil die Siegpunkte am Schachtelrand über Marker angezeigt wurden. Eine etwas überflüssige aber doch irgendwie coole Idee, die ich zum ersten Mal gesehen habe).

Während wir noch unsere Punkte zählten, ging Anna schon mal kurz ums Eck. 

Tumblin' Dice

Let's roll, ähh tumble
Flick 'em up wurde bereits im Vorfeld gehyped und ist schon viel zu sehr Mainstream für diesen Hipsterblog. Bevor im nächsten Jahr dutzende Schnipp-Spiele den Markt fluten, hier ein Geheimtipp - hipstergerecht auch mit Retro-Flair. Quasi das Holzfällerhemd für den vollbärtigen Folk-Music-Hipster unter den Brettspielen. Hochwertige Holzkomponenten für Brettspiel-Aficionados sind auch dabei!

Die Rede ist von Tumblin' Dice. Man schnippt seine drei Würfel über das Holzbrett und erhält umso mehr Punkte, je weiter hinten sie liegen. Fliegen sie aber vom Holzbrett, geht man leer aus (und muss zur Strafe unter den Tisch und über den Boden kriechen). Ein schnipp'-your-Luck Spiel also, mit dem wir sehr viel Spaß hatten. Das Spiel gibt es in mehreren Größen, die Preise sind aber auch eine Menge Holz. Da warte ich lieber noch auf eine Version für diese Würfel.

Pandemie - Die Heilung

Nur noch einen Tropfen... BUMMM!
Der Trend, Würfelspiel-Versionen von Klassikern zu veröffentlichen, geht ja gerade um wie eine Grippewelle. Da will natürlich auch der kooperative Klassiker Pandemie mit der Variante Pandemie - Die Heilung nicht fehlen. Immerhin wurde es auch von Original-Designer Matt Leacock entwickelt, dem Experten und Urvater dieser Disziplin. Er entwickelte Im Wandel der Zeiten: Das Würfelspiel - Bronzezeit sowie Im Wandel der Zeiten: Das Würfelspiel - Späte Bronzezeit schon lange, bevor es cool wurde. Und hat nebenbei bestimmt den längsten... Spielenamen auf eine Schachtel gebracht.

Wie im "richtigen" Pandemie müssen wir Heilmittel für 4 Krankheiten finden, bevor diese die Menschheit ausrotten. Dazu ziehen wir farbige Würfel aus einem Beutel, würfeln diese und teilen sie nach der Augenzahl einem von 6 Kontinenten zu. Liegen zu viele Würfel einer Krankheit auf einem Kontinent, kommt es zu einem Ausbruch, welcher auf die Nachbarkontinente überschwappt. Jeder Spieler spielt einen Charakter mit Spezialfähigkeiten und individuellen Aktionswürfeln. Diese können wir für - wer weiß es? - Aktionen einsetzen: wir reisen um die Welt, heilen Krankheiten, sammeln Proben und so weiter. Unpassende Resultate können wir neu würfeln, aber jeder Würfel hat eine "böse" Biohazard Seite, welche die Seuche weiter voranschreiten lässt. Schließlich können wir noch versuchen, mit den gesammelten Proben ein Heilmittel zu finden - je mehr Proben, desto höher die Erfolgsaussichten. Allerdings blockiert jede Probe auch einen Aktionswürfel. Man muss also abwägen, ob man sich auf eine Krankheit konzentriert und langsam vorankommt oder mehrere Krankheiten gleichzeitig angeht, dabei aber Misserfolge riskiert.

Das Spielmaterial ist leider etwas steril geraten.
Die Regeln sind recht einfach, und genau wie beim Original muss man ständig mehrere Brandherde löschen und sich abstimmen. Der kooperative Aspekt ist dabei auch wichtig, weil man Proben untereinander austauschen sollte, um effektiv zu sein. Viele Sonderfähigkeiten beziehen sich außerdem auf andere Spieler. Es fühlt sich also tatsächlich wie ein Pandemie an. Passt also. Allerdings kommt - durch den Zufall beim Würfeln - nicht ganz so eine Dramatik auf wie bei Pandemie, wo man mehrere Karten aufdeckt und weiß, bald kommt die eine Stadt, wo die Seuche dann wieder ausbrechen wird. Insgesamt ein gutes Spiel, aber ich würde das Original Pandemie dem Würfelspiel vorziehen - auch weil die Spielzeit ungefähr gleich ist.

Die gesammelte Beute der drei wackeren Abenteurer.
Nach der Partie waren wir durch, und mit einem voll bepackten Kofferraum machten wir uns wieder auf den Heimweg. Obwohl nur eine Gurke dabei war, haben wir interessanterweise hauptsächlich Spiele gekauft, die wir nicht gespielt haben. Aber halt! Das war noch lange nicht alles! Denn auch am Freitag war ich in Aktion, allerdings mit anderen Sidekicks. Denn Messe ist schließlich nur einmal im Jahr. Freut euch also auf Teil 3 der großen Messe-Berichterstattung!

* wie heißen eigentlich negative Siegpunkte? Niederlagepunkte?

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